Archiv, IHM

JVH hob Handwerker aufs Podest

Das erfolgreiche Format des Jahres 2013 wurde auf der IHM 2017 bereits im vierten Jahr fortgesetzt. Gemeinsam mit der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München stellte die JVH Aussteller der Sonderschau "Land des Handwerks" vor. Sie wurden auf der Bühne der Themenfläche „Fokus. Made in Germany“ in Halle C2 von wechselnden Interviewpartnern befragt.

Nils Bergauer, Handschuhmacher aus Schneeberg, "Meine Handschuhe sitzen wie eine zweite Haut“, lesen
Simon Graf, Vertriebsleiter aus Salach, "Alles was die Physik erlaubt", lesen
Tobias Köhler, Vertriebsmitarbeiter aus Göppingen, "Licht macht Räume nicht nur hell", lesen
Manfred Nagel, Modellbaumeister aus Moorenweis, "Modelle, schöner sein als das Original", lesen
Georg Nüssgens, Rollladen- und Jalousiebauermeister aus Aachen, "Markise per Smartphone steuern", lesen
Karl-Heinz Reuter, Feinwerkmechanikermeister aus Alzenau, "Löten im Vakuum", lesen
Hannes Riebl und Florian Harrer, Geschäftsführer aus Ergolding, "Vom Einzelkämpfer zum Global Player", lesen
Kersten Stöbe, Geschäftsführer aus Penzberg, "Ohne Ziele keine Daseinsberechtigung", lesen


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„Es macht unheimlich Freude, wenn man Menschen beim Gehen helfen kann“
Achim Oberle, Orthopädieschumachermeister aus Ettenheim. Er leitet das Familienunternehmen „Oberle – Gesunde Schuhe“ bereits in fünfter Generation. Die Kundschaft reicht vom Ein- bis zum 80-Jährigen, der nochmal Marathon laufen will.

Herr Oberle, Sie sind Chef von Oberle – Gesund Schuhe. Aber was bedeutet das überhaupt? Sind die Treter, die wir an den Füßen haben, denn ungesund?
Es gibt, denke ich, viel Diskussionsbedarf im Bereich gesunde Schuhe. Wir werden im Geschäft immer wieder gefragt, was das bedeutet. Das ist ein sehr großer Begriff. Für uns fängt es damit an, dass wir bei den Schuhen, die wir verkaufen, auf Nachhaltigkeit schauen, und dass sie sehr gut passen. Man kann sich bei dem Begriff sicher an der Evolution des menschlichen Gangbilds orientieren. Es muss verschiedene Weiten geben, sodass man auf verschiedene Fußformen eingehen kann, und die Absatzhöhe sollte begrenzt sein. Wenn wir Schuhe einkaufen, dann schauen wir außerdem darauf, dass die Lieferanten aus unserer Gegend sind und dass das Material schadstofffrei hergestellt wird.

Sind Sie der Meinung, dass die meisten Deutschen zu wenig darauf achten, welche Schuhe sie tragen?
Ich erkenne in letzter Zeit einen deutlichen Zuwachs beim Bewusstsein der Leute. Sie achten wieder verstärkt auf ihre Schuhe und ihre Füße. Das liegt zum einen an der medialen Berichterstattung. Aber wir leisten in diesem Bereich auch eine große Pressearbeit und versuchen, die Kunden für gesunde Schuhe zu sensibilisieren.
Ihr Unternehmen gibt es bereits seit mehr als 150 Jahren. Erst war es ein Schuhreparatur-Geschäft, dann kam der Verkauf dazu.

Erst in den letzten zehn Jahren haben Sie sich auf Orthopädieschuhtechnik spezialisiert. Wie ist es dazu gekommen?
Alle meine Vorgänger haben von der Schuhherstellung gelebt. Seit der Industrialisierung waren handwerkliche Fertigkeiten immer weniger gefragt und mein Vater war der Erste, der nur noch im Handel tätig war. Ich musste mir dann Gedanken machen, wie ich den Laden weiterführe. Der Sporthandel hätte mich auch interessiert, aber ich habe mich für die Orthopädie entschieden und es nie bereut.

Was stellen Sie selbst her und welchen Anteil nimmt der Handel ein?
Der Schuhhandel macht ein Drittel des Umsatzes aus, der Rest ist Handwerk. Das größte Feld sind hier die orthopädischen Schuheinlagen sowie Maßschuhe, zum Beispiel für deformierte Füße. Außerdem stellen wir Kompressionsstrümpfe und Bandagen her. Unsere Kundschaft reicht vom Einjährigen bis zum 80-jährigen Menschen, der noch einen Marathon laufen will.

Wenn man zu Ihnen kommt und richtig passende Schuhe möchte: Welche Maße muss man mitbringen?
Man muss gar keine Maße mitbringen! Das ist für uns das Schlimmste, wenn gerade in der Eltern-Zeitschrift eine Veröffentlichung war, wie lang und wie breit Schuhe sein müssen. Wir messen grundsätzlich immer selbst. Dafür stellen wir an unserem Stand auch ein neuartiges lasergestütztes Messverfahren aus, komplett berührungslos. Somit ist es nicht nur extrem genau, sondern auch geeignet für Patienten mit Diabetes, die oft Wunden haben, die das analoge Messen erschweren.

Hat jemand mit Ihren Produkten schon einmal eine sportliche Höchstleistung vollbracht?
Ja, ein Kunde lief mit seinem Esel über die Alpen – dank unserer Einlage beschwerdefrei. Der andere lief quer durch Grönland. Beide waren vorher mit fast identischen Problemen bei uns gewesen. Das Problem: Spezielle Schuhe sind schon auf solche extremen Herausforderungen angepasst, da kann man wenig ändern. Man muss das über die Einlagen lösen. Und es hat geklappt! Es macht immer unheimlich Freude, wenn man Menschen beim Gehen helfen kann.

Die Fragen stellten Florian Schumann und Manuel Stark
Foto: Michael Schuhmann