Rückschau

Medienarbeit im Wandel – Zwischen Tageszeitung und Internet Zwei Köpfe zwei Meinungen beim JVH-Seminar in Raesfeld
Gehört die mediale Zukunft dem Internet oder bleibt die Tageszeitung wichtiger Bestandteil der Medienarbeit? Diesen Fragen sind Ende September 17 JVH-Mitglieder bei einem zweitägigen Seminar in Schloss Raesfeld nachgegangen. Begleitet wurden sie dabei von zwei erfahrenen Medien-Vertretern: dem stellvertretenden Chefredakteur der Westfälischen Nachrichten (Zeitungsgruppe Münsterland), Wolfgang Kleideiter, sowie dem Journalisten und Herausgeber der Kölner Internetzeitung www.report-k.de, Andy Goral. Ziel des Seminars war es, Schlussfolgerungen aus dem Gehörten für die Arbeit in Pressestellen und als Journalist zu ziehen.
Zwei Köpfe – zwei Meinungen, so könnte die kürzeste Zusammenfassung des Seminars lauten. Basierend auf ihrem jeweiligen beruflichen Hintergrund schätzten die Referenten die Lage auf dem Medienmarkt unterschiedlich ein. Der tagesaktuellen Bericht-Erstattung im Internet gehört nach Meinung von Andy Goral die Zukunft. Er sagte ein Ende der Tageszeitung voraus (s.Referat als PDF zum Download). Darauf müssten sich auch die Mitarbeiter aus dem Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit einstellen. Das Verschicken einer „normalen“ Presse-Information per Mail reiche nicht mehr aus.

Bei Letzterem stimmte Wolfgang Kleideiter mit Goral überein, jedoch sieht er die Tageszeitung weiterhin als „Flaggschiff“ eines Medien-Unternehmens, unter deren guten Namen den Lesern weitere „cross-mediale Angebote gemacht werden“. Dazu gehörten das Verschicken von aktuellen Nachrichten auf das Handy sowie das Ereignis begleitende Text-, Audio- und Videoangebote auf der Internet-Seite „und schließlich die komplette Geschichte mit allen Details am nächsten Tag in der Zeitung“, so Kleideiter. Für Presse-Mitarbeiter bedeutet das, „dass nicht nur die Presse-Information angeboten wird, sondern ein Paket mit O-Tönen, Video-Sequenzen, Hintergrund-Informationen, Fotos und kurzen Texten (so genannten Teasern) für das Internet“, erklärte Kleideiter.

Arbeit ohne Verwendung

Bei den Seminar-Teilnehmern stießen diese Forderungen auf Protest. In der technischen und personellen Umsetzung solch’ cross-medialer Pressearbeit sahen sie Grenzen. „Wer soll das schaffen?“, lautete die viel gestellte Frage – zumal die Medien doch auswählen und vieles dann gar nicht verwendet wird – wie bisherige Erfahrungen aus der Runde zeigten.

Auf großes Interesse stieß bei den Teilnehmern das Thema „Blog“ (eine Form des Internet-Tagebuchs) als direkten Kontakt zu Lesern und im Fall von Handwerkskammern zu den Mitgliedern. Andy Goral warnte davor, einen Blog leichtfertig zu beginnen. „Es ist ein schönes Instrument zur Kontakt-Aufnahme und birgt sicher viel Potenzial, aber die Pflege kostet Zeit und Geld.“ Von den Teilnehmern angeregt wurden Blogs, die nur zu einem bestimmten Ereignis und über einen festgelegten übersichtlichen Zeitraum geführt werden.

Ein heißer Diskussionspunkt mit Blick auf die Berichterstattung im Internet war die Seriosität dieses Mediums. „Tageszeitungen sind historisch gewachsen und geben den Lesern das Gefühl, dass das, was sie dort lesen, wahr ist“, so Kleideiter. So viel Vertrauen wird dem Internet, in dem jeder sich irgendwie darstellen kann und das auch für unseriöse Geschäfte missbraucht wird, nicht entgegengebracht. Hilfreich empfanden die Teilnehmer die Tipps von Andy Goral, zum Schreiben von Texten für das Internet und wie diese dann von möglichst vielen Lesern über Suchmaschinen gefunden werden. Internet-Texte müssten zum einen „Suchmaschinen-optimiert“ geschrieben sein.

Abwechslung für die Suchmaschinen

„Verwenden sie wichtige Begriffe so oft wie möglich. Variieren sie die Begriffe, so wie sie sie selbst in einer Suchmaschinen eingeben würden“, riet der Journalist. Als Beispiel nannte er Handwerkskammer, Kammer des Handwerks, Kammer… Als zweiten Tipp riet er, generische Begriffe zu verwenden – also sinnvolle Wort-Kombinationen zu finden. Auch spielten Bilder im Internet eine große Rolle – „möglichst viele, im großen Format und in guter Qualität“, so Goral. Bei den Bildunterschriften böte sich nochmals die Chance, weitere Begriffe einzubauen, die dann von Suchmaschinen aufgegriffen werden.

Die gängige Meinung, fürs Internet seien kurze Texte besser als lange, vertrat Goral nicht. „Gerade im Internet ist viel Platz für eine große Anzahl an Informationen, für Hintergründe, Rück- und Ausblicke.“ Jedoch sei es ein gutes Angebot für die Leser, vor jedem Text das Wesentliche einer Nachricht in einem kurzen Vorspann zusammenzufassen. „Denn viele Leser wollen sich schnell informieren.“

Einsteigermedium für junge Leser

Goral wie Kleideiter waren sich darüber einig, dass das Internet sehr gut für die schnelle Verbreitung von Nachrichten geeignet ist und vor allem die Lesergruppe zwischen 14 und 29 Jahren stark anzieht. Für den Chefredakteur der Westfälischen Nachrichten ist die Internetseite der Zeitung aber nur ein Ergänzungsangebot, um schnell auf aktuelle Geschehnisse zu reagieren und um junge Leser an tägliche Nachrichten und später an die Zeitung heranzuführen.

Ihrem cross-medialen Angebot passen immer mehr Zeitungen auch die Organisation ihrer Redaktionen an. Kleideiter ging auf Newsdesk und Newsroom ein, einer Form der redaktionellen Arbeit, bei der Redakteure verschiedener Ressort zusammen sitzen, sich austauschen und so schneller auf aktuelle Ereignisse reagieren sowie alle Medienangebote bedienen können. „Zeitung aus einem Guss“, wie Kleideiter sagte.

Die Teilnehmer merkten an, dass diese neuen Organisationsstrukturen viele freie Journalisten und Mitarbeiter von Pressestellen verwirrten, da sich die Suche nach Ansprechpartnern anfangs schwierig gestalte. Für Kleideiter nur eine Frage der Kommunikation, „vorausgesetzt, die Medienhäuser nutzen diese Umstrukturierung zur Qualitätsverbesserung und nicht zur Einsparung von Kosten“. Es waren zwei diskussionsfreudige Seminartage in Raesfeld. Die Teilnehmer nahmen viele Anregungen für ihre eigene Arbeit mit nach Hause.

Anke Richter