Archiv, IHM

JVH hob Handwerker aufs Podest

Das erfolgreiche Format des Jahres 2013 wurde auf der IHM 2017 bereits im vierten Jahr fortgesetzt. Gemeinsam mit der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München stellte die JVH Aussteller der Sonderschau "Land des Handwerks" vor. Sie wurden auf der Bühne der Themenfläche „Fokus. Made in Germany“ in Halle C2 von wechselnden Interviewpartnern befragt.

Nils Bergauer, Handschuhmacher aus Schneeberg, "Meine Handschuhe sitzen wie eine zweite Haut“, lesen
Simon Graf, Vertriebsleiter aus Salach, "Alles was die Physik erlaubt", lesen
Tobias Köhler, Vertriebsmitarbeiter aus Göppingen, "Licht macht Räume nicht nur hell", lesen
Manfred Nagel, Modellbaumeister aus Moorenweis, "Modelle, schöner sein als das Original", lesen
Georg Nüssgens, Rollladen- und Jalousiebauermeister aus Aachen, "Markise per Smartphone steuern", lesen
Achim Oberle, Orthopädieschumachermeister aus Ettenheim, "Menschen beim Gehen helfen", lesen
Hannes Riebl und Florian Harrer, Geschäftsführer aus Ergolding, "Vom Einzelkämpfer zum Global Player", lesen
Kersten Stöbe, Geschäftsführer aus Penzberg, "Ohne Ziele keine Daseinsberechtigung", lesen


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"Von der Spülmaschinenfertigung zum Löten im Vakuum"
Karl-Heinz Reuter, Feinwerkmechanikermeister aus Alzenau. Er führt zusammen mit seinem Bruder Albrecht das Familienunternehmen REUTER TECHNOLOGIE GmbH. Ihre hochtechnisierten Produkte stecken unter anderem in Teilchenbeschleunigern. Mit knapp 50 Mitarbeitern gehört die Firma zu den Weltmarktführern in ihrem Segment.

Herr Reuter, in einem Satz, was macht Ihr Unternehmen?

Das in einem Satz zu erklären, ist eine Herausforderung. Wir sind Partner der Forschung. Als Handwerksunternehmen versuchen wir, die Ideen von Physikern umzusetzen.

Das tun Sie in Form von vakuumgelöteten Komponenten.

Nicht nur. Wir sind für die komplette Kette zuständig, von der Entwicklung bis hin zur Montage.

Wie funktioniert löten im Vakuum?

Löten im Vakuum ist eine der wenigen Möglichkeiten, verschiedene Werkstoffe gut zu verbinden. Wir benutzen dazu einen Vakuumofen. Der hat wie ein normaler Ofen eine Heizung, dazu kommen Vakuumpumpen, die den luftleeren Raum erzeugen. Wir heizen den Ofen auf bis zu 1.200 Grad. Die Teile im Ofen sind dann einem ähnlichen Prozess ausgeliefert wie die Brötchen beim Bäcker. Wichtig ist aber, was vor dem Erhitzen mit den Teilen passiert, denn so wie die Teile vorbereitet wurden, kommen sie auch aus dem Ofen.

Was stecken Sie denn in den Ofen?

Vorzugsweise Bauteile aus Kupfer, Edelstahl und Titan. Manchmal auch Keramik.

Wo werden Ihre Produkte verwendet?

Die Bauteile aus Kupfer werden vorwiegend für Kühlprozesse eingesetzt, weil Kupfer ein guter Wärmeleiter ist. Andere Produkte werden in der Elektronik, in der Halbleitertechnik und in der Forschung, in der Hochenergie-Physik, zum Beispiel in Teilchenbeschleunigern und Fusionsreaktoren eingesetzt.

Wer sind Ihre Kunden?

Große Forschungseinrichtungen, wie die Max-Planck- oder Fraunhofer-Institute bundesweit, das CERN in Genf und Industrieunternehmen.

Man hört und liest oft vom Fachkräftemangel. Sie beschäftigen hochqualifizierte Techniker: Ist qualifizierten Nachwuchs zu finden für Sie ein Thema?

Qualifizierte Fräser oder Dreher zu finden, ist in der Tat nicht ganz einfach. Wir leben im Rhein-Main-Gebiet, der Wettbewerb ist sehr groß. Allerdings stellen wir fest, bei den höher qualifizierten Positionen tun wir uns eher leichter, weil die Projekte, die wir betreuen einmalig sind und deshalb viele daran mitarbeiten wollen.

Was haben Sie gelernt?

Ich bin Feinwerkmechanikermeister und Betriebswirt des Handwerks, ein Mann der Produktion.

Ihre Firma hat in den Sechzigern Spülmaschinen hergestellt, heute fertigen Sie hochtechnisierte Produkte, wie kam es zu dieser Veränderung?

In den 90er Jahren waren wir im industriellen Bereich als Zulieferer unterwegs. Damals gab es eine Krise im Maschinenbau. Wir hatten glücklicherweise einen Kontakt zum Fraunhofer-Institut in Stuttgart. Der damalige Leiter des Institutes, Professor Hans-Jörg Bullinger, hat uns dazu inspiriert, unser Unternehmen neu aufzustellen. Wir haben uns auf die Verfahrenstechnik konzentriert, was früher der kleinste Bereich in unserem Unternehmen war. Das war der Beginn.

Sie leiten das Unternehmen zusammen mit Ihrem Bruder, wie funktioniert das?

Er macht den technischen, ich den kaufmännischen Part. Marketing, Vertrieb und Unternehmensstrategie sind meine Bereiche.

Wie ist es, mit dem eigenen Bruder zu arbeiten?

Wir machen das schon über 30 Jahre und kommen immer noch gut miteinander aus. Es knirscht aber auch manchmal. Mittlerweile kommt auch schon der Nachwuchs ins Unternehmen. Mein Sohn ist jetzt seit fast vier Jahren dabei.

Was ist der Vorteil eines familiengeführten Unternehmens?

Wir haben kurze Wege, sind als Menschen sehr eng zusammengewachsen. Man kennt sich auch privat.

Gibt es auch Nachteile?

Sicherlich. Es ist im Gegensatz zu einem großen Unternehmen nicht alles so strukturiert, die Grenzen sind sehr fließend. Und wir haben weniger Mittel. Wir können uns manche Dinge, wie zum Beispiel großzügige Weiterbildungsmaßnahmen, nicht leisten.

Das Interview führte Michael Graupner
Foto: Michael Schuhmann