Rückschau
Bozener Fachmesse KLIMAHOUSE hatte in Sachen Energieeffizienz viel zu bieten Von Franz Reisbeck
Eine Premiere feierten die Journalistenvereinigung der Deutschen Handwerkspresse und der Arbeitskreis Baufachpresse mit der ersten gemeinsam organisierten Pressereise. Dass Südtirol immer einen Ausflug wert ist, wissen Kenner ohnehin; dass man dort aber auch in puncto Klimaschutz und nachhaltiges Bauen findige Vorreiter entdecken kann, die selbst für Experten jede Menge lohnendes Anschauungsmaterial und nachahmenswerte Beispiele bieten, brachte Ende Januar 2016 die Recherche auf der renommierten Fachmesse KLIMAHOUSE der Messe Bozen zutage.
Italienische Leitmesse für energieeffiziente Bau- und Sanierungskultur
Mit 460 Ausstellern – 70 weitere konnten ihren Beteiligungswunsch mangels Fläche nicht realisieren – und 37.500 Besuchern – im Gros Planer, Architekten, Entscheider öffentlicher Bauträger und private Bauherren – konnte die Klimahouse 2016 ihre führende Rolle als Plattform für energiebewusstes Bauen und Sanieren in Italien unter Beweis stellen: ein Einstig nach Maß für das neue Führungsduo der Messe Bozen, Präsident Armin Hilpold und Direktor Thomas Mur.
Beider Bestreben ist es nun, die Veranstaltung noch weiter zu internationalisieren – zum einen über weitere Brückenkopf-Ableger in aussichtsreichen Regionen des Landes (u.a. Toskana, Sizilien), zum anderen über eine Kooperation mit der Messe Frankfurt in China. Diese Ambitionen kommen auch deutschen Ausstellern zugute, wie beispielsweise am Gemeinschaftsstand von Bayern Handwerk International zu vernehmen war. Die 11. Auflage dieser Fachveranstaltung rund um die gebaute und mobile Energieeffizienz zeichnete sich durch ein zusätzliches hochrangiges Informationsangebot aus und bot so ein Füllhorn an Anregungen im Exkursions- und Beiprogramm
330 Teilnehmer wurden in 14 „enertour“ genannten ausgebuchten Fachexkursionen durch vorbildlich konzipierte klimaneutrale Alt- und Neubauten in Südtirol geschleust. Der „Insight“-Kubus am Messevorplatz diente als Parcours für 150 kompakte (Ein-)Führungen in hochmoderne Gebäudetechnologie zur Ressourcenschonung ohne Komfortverluste. Das „Klimahouse Forum“ rückte dazu mitten im Messegeschehen ausgewählte Produktinnovationen der Aussteller ins Rampenlicht.
Thomas Morus inspirierte zum 500jährigen Jubiläum des Erscheinens seines Werkes „Utopia“ zum gleichnamigen Projekt; Messebesucher konnten dort ihr persönliches „Projekt Utopia“ zu Papier bringen. Den reizvollsten Anziehungspunkt für Fachleute bildete jedoch zweifellos der KlimaHaus Kongress „Gestaltung und Funktion“. Der konnte mit klangvollen Namen aufwarten: Unter anderem referierte Prof. Arch. Carlo Ratti vom Massachusetts Institute of Technology MIT in Boston zum Modellprojekt „Senseable City Lab“ – einer wissenschaftlichen Initiative, die nicht mehr nur einzelne Gebäude, sondern ganze Städte energetisch ertüchtigen möchte („Smart Cities“). Seine Forschungsgruppe untersucht, wie digitale Technologien zu einer komplett neuen Art und Weise führen, Städte zu verstehen, zu planen und in ihnen zu leben. Der Ansatz fußt auf der massenhaften Nutzung von Sensoren und mobilen elektronischen Geräten.
Weiterbauen wie gewohnt?
Prof. Dr. Thomas Herzog vom Lehrstuhl für Architektur der TU München stellte sich die rhetorische Frage „Weiterbauen wie gewohnt?“, um dann an einigen Pionierbauten seines Büros aufzuzeigen, wie man die Energiezufuhr von Gebäuden deutlich verringern kann, wenn die bauliche Konstruktion mit ihrer passiven Komponente auf sich ändernde Bedingungen des Aussenklimas reagieren kann. Wie man im Spannungsverhältnis von Fassaden-Transparenz und Ressourcen-Einsatz zu überzeugenden Kompromissen finden kann, führte Dr. Ing. Arch. Lucio Blandini vom Stuttgarter Büro Werner Sobek anhand spektakulärer Projekte dieser international agierenden Firmengruppe vor.
Der Frage, wie trotz weniger Energieverbrauch im Gebäudesektor und weniger Technik mehr Komfort erzielt werden kann, ging Prof. Ing. Arch. Thomas Auer (Transsolar GmbH München) nach. Den Schlusspunkt setzte Prof. Frederico Butera, der Umwelt-Bauphysik an der Politecnico in Mailand lehrt; er befasste sich mit der globalen Klimaerwärmung und der Reduzierung der Kohlendioxyd Emissionen im Blick auf demographische, wirtschaftliche und soziale Systemveränderungen.
Von großem Erkenntnisgewinn für die deutsche Journalistengruppe erwiesen sich aber auch die Kongressbeiträge der Praktiker, die derartig innovatorische Höhenflüge umzusetzen hatten. Als glänzendes Beispiel für die perfekte industriell-handwerkliche Kompetenz darf die Frener und Reifer Metallbau GmbH in Brixen gelten: Ing. Michael Reifer stellte das u.a. an Eigenentwicklungen für die Fassadenbeschattung der Hauptverwaltung von ThyssenKrupp in Düsseldorf unter Beweis.
„Spezialitäten der Region“
Das speziell auf die deutsche Journalistengruppe zugeschnittene Besuchsprogramm sah neben der Klimahouse-Messe aber noch weitere bauliche und konzeptionell überzeugende „Spezialitäten der Region“ vor - so eine Führung durch das 2010 eingeweihte Hauptquartier der SALEWA AG Gruppe, Eigner & Vertreiber namhafter Marken für Outdoor Sportarten mit einer Kubatur von 160.00 m². Es vereint unter einer spektakulären Hülle, die an Bergkristall erinnern soll, Hochregallager und Förderbänder zur Kommissionierung der Waren, Show-Rooms, die Hauptverwaltung des Unternehmens und last but not least die größte überdachte Kletterhalle Italiens.
Unter der kundigen Leitung des für das komplexe Heiz- und Kühlsystem verantwortlichen Planers Dr.-Ing. Georg Felderer gerieten Präsentation und Rundgang durch das Haus zu einer Expedition in die Finessen wohlüberlegter Planungsphilosophie und modernster Gebäudetechnik. Hier nur einige Stichworte: Energiekonzept mit Betonkern-Aktivierung, Anschluss ans Fernheizkraftwerk, Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung, eigener Kühlturm, Photovoltaik-Dachanlage, hocheffizientes Beleuchtungskonzept.
Eindrucksvoll war aber auch ein Ziel auf dem Hochplateau der Seiser Alm: das Dolomites Living Hotel Tirler. Die Projektentwicklung dieses außergewöhnlichen 4 Sterne-S Hotels, das aus einer Jugendherberge entstand, folgte der Zusammenarbeit mit Umweltinstituten der Baubiologie und der Motologie. Das Baukonzept, die Auswahl der Materialien (heimische Hölzer wie Lärche und Zirbe, dazu Lehm), das Serviceangebot und die Küche sind ganz auf die Bedürfnisse von Gästen mit diversen Allergien ausgerichtet. Das Hotel hat als erstes Haus in Italien das ECARF- Qualitätssiegel „Allergiker-freundlich“ erhalten.
Gibt es ein Folgekapitel?
Ausweislich der durchwegs positiven Resonanz der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dieser ersten gemeinsamen Reise- und Seminaraktivität von JVH und AK Baufachpresse wäre eine Fortführung dieser Kooperation nützlich und zu empfehlen. Ob man dann wieder auf so fachlich versierte wie aufmerksame Gastgeber trifft wie eben bei der Messe Bozen, muss die Zukunft weisen.
Link zu diesem Artikel:
Schlussbericht Klimahouse 2016 http://www.fierabolzano.it/klimahouse/detailcomu-2-3687-positive-energie-bei-klimahouse-2016.html
Präsentation von energytech – Dr.-Ing. Georg Felderer als pdf.doc: Download