Zimmermeister Lothar Betz aus Mittelkalbach, Handwerksbühne, IHM 2015

Archiv, IHM

JVH hob Handwerker aufs Podest

Schon zum vierten Mal hat die JVH 2016 auf der Internationalen Handwerksmesse zusammen mit der Deutschen Journalistenschule (djs) das Projekt „Aufs Podest“ durchgeführt. Dabei wurden acht Aussteller aus der Sonderschau „Land des Handwerks“ am Stand der Arbeitsgemeinschaft der Bayerischen Handwerkskammern vorgestellt. In Live-Interviews befragten die Studierenden die Unternehmer und erhielten dabei einen Eindruck, wie viele interessante Köpfe und Produkte das Handwerk bietet. Fotograf: Michael Schuhmann

Ralf Bisch-Chandaroff, Polsterer- und Dekorateurmeister, Dresden "Dazulernen", lesen
Alexander Claas, Schreiner und Gitarrenbauer, Burgdorf, "Heavy-Metal, ganz klar", lesen
Franz Faust, Schreinermeister, Murnau am Staffelsee, "Möbel ohne Schadstoffe", lesen
Maximilian Lörzel, Modellbauermeister, Oberpframmern, "Komplett durchdigitalisiert", lesen
Frank Maasberg, Dipl.-Ing. , Haan, "Innovation für Kühlhaus und Ladengeschäft", lesen
Andreas Schäwel, Metallbauermeister, Güstrow, "Qualität setzt sich durch", lesen
Markus Schott, Orthopädie-Schuhtechnikermeister, Homberg, "Aus Hessen in die Welt"
Thomas Widmer, Ofen- und Luftheizungsbauermeister, Ostrach, "Feuer und Emotion", lesen


aufs_Podest Aus Hessen in die ganze Welt
Markus Schott, Orthopädie-Schuhtechnikermeister aus Homberg

Markus Schott leitet die Firma Schott Orthopädie-Schuhtechnik in vierter Generation. Der Orthopädie-Schuhtechnikermeister gründete die Marke MyVale, mit der er auf dem internationalen Markt durchstartete. 7.000 Paar orthopädische Sandalen verkauft er im Jahr. Seine Kunden sind Handball-Europameister, Daniela Katzenberger und Andreas Bourani. Aber auch internationale Stars wie Gerard Butler und Russel Crowe.

Herr Schott, woher kommt der Name MyVale?
Der Name stammt aus dem Englischen. My valley – mein Tal – meine Fußlandschaft. Das ist der Gedanke.

Die Idee für orthopädische Sandalen kam Ihnen in Australien.
Ich habe dort Mitte der 90er einen lässigen Urlaub mit meinem Bruder gemacht. Dann hat mich mein Bruder gefragt: ‚Hey, ich brauche hier noch jemanden, der gute orthopädische Schuhe baut. Hättest du Lust?’ Dann habe ich mir die Leute dort mal genauer angeschaut und erkannt, dass die dort alle Flipflops tragen. Da macht eine orthopädische Einlage überhaupt keinen Sinn. Also haben wir uns gedacht, wir bauen erst die Einlage und daraus die Sandale. Unser erster Proband war ein Spieler der australischen Rugby-Nationalmannschaft.

Seit 2008 haben Sie einen Online Shop. Über 7 000 Sandalen liefern Sie pro Jahr aus. Inwieweit erleichtert Ihnen die Digitalisierung Ihr Geschäft?
Die Produktion unserer Schuhe, das Einlesen von Fußabdrücken, aber auch die Bestellung aus der Sicht des Kunden sind wesentlich einfacher geworden. Für kleine Betriebe wie unseren heißt das, wir müssen nicht viel Geld in neue Standorte investieren, sondern der Kunde findet unser Produkt bei sich zuhause.

Wie läuft der Prozess einer Bestellung ab?
In 95 Prozent der Fälle läuft es über das Internet. Das heißt, der Kunde sucht sich online den Schuh aus. Das erste was er zugeschickt bekommt, ist eine Trittschaumbox. Der Kunde klappt die Box auf, stapft rein und schickt uns die Box zurück. Dann können wir mit dem Bau beginnen. Außerhalb der Saison dauert es etwa zwei Wochen. Während der Saison schon etwas länger. So können wir weltweit unsere Kunden beliefern.

Das Stichwort ‚weltweit’ ist gefallen. Auch große Stars wie Gerard Butler oder Russel Crowe haben bei Ihnen schon bestellt. Was ist denn bei Russel Crowes Fuß falsch?
Der hat bei uns schon einige Paar bestellt. Also beim Russel, da sind schon so ein paar Sachen, die dürfen nicht sein (lacht). Genaueres darf ich wegen meiner Pflicht zur Verschwiegenheit nicht sagen. Aber der hat es jetzt gelernt, der trägt das richtige Fußbett. Das passt.

So harmonisch wie es jetzt läuft, war es nicht immer. Eigentlich sollte Ihr Bruder die Firma übernehmen.
Ich komme aus einem ganz traditionellen Familienbetrieb. Der Senior hat damals gesagt: Erster Sohn übernimmt die Firma, die anderen beiden suchen sich was Anderes. Mein großer Bruder ist aber vor 25 Jahren nach Sydney ausgewandert und hat meinen Eltern eine Absage erteilt. Die haben dann angefangen, Maschinen und Betrieb zu verkaufen und haben sich gedacht, dass sie halt in Rente gehen. Kurz nachdem ich aus Australien zurückkam, hatte ich einen Motorradunfall und hatte viel Zeit im Krankenhaus nachzudenken. Kurzum habe ich mich zu einer Lehre entschlossen und wollte den Betrieb wiederaufbauen.

Damit waren Ihre Eltern aber gar nicht mehr so einverstanden.
Nee, natürlich nicht. Die wollten ihr Rentendasein genießen. Als ich denen den Lehrvertrag vorgelegt habe, fanden die das überhaupt nicht witzig. Erst mit der Zeit konnte ich sie davon überzeugen, dass es mir wirklich ernst war. Dann haben sie mich auch unterstützt.

Sind denn Ihre Eltern stolz auf das, was Sie geschafft haben?
Ja, mittlerweile schon. Der Senior ist mit 86 immer noch im Betrieb und freut sich immer, wenn er zur Post geht, die Boxen entgegennimmt und dann sieht, wo die alle herkommen.

Das Interview führten Catharina Felke und Jean-Marie Magro

Foto: Michael Schuhmann