Archiv, IHM

Aufs Podest: Handwerk und junge Journalisten

Auch auf der IHM 2015 hieß es am Stand der Arbeitsgemeinschaft der Bayerischen Handwerkskammern wieder „Aufs Podest“. Unter diesem Motto stellten Nachwuchsjournalisten Betriebe aus den Sonderschauen „Land des Handwerks“ und „Innovation gewinnt!“ vor. Die Interviews sind Ergebnis der Zusammenarbeit der JVH und der Deutschen Journalisten Schule (djs) in München.

Lothar Betz, Zimmermeister aus Mittelkalbach, lesen
Andreas Buchele, Raumausstattermeister aus München, lesen
Petra Englhard, Maschinenbau aus Traunstein, lesen
Axel von der Herberg, Stuckateurmeister aus Heilbronn, lesen
Dimitri Kapetzke, Dipl.-Ing. aus Spenge, lesen
Bertram Riedel, Hörgeräteakustiker- und Augenoptikermeister aus Dresden, lesen
Edgar Seckinger, Schreinermeister aus Königsfeld, lesen
Matthias Stoll, Glasermeister aus Weingarten, lesen


Von der Malermeisterin zur Erfinderin
Nicole Ulsch, Malermeisterin aus Abtsgmünd

Weil sie einen Ein-Frau-Betrieb schmeißt, hatte Nicole Ulsch nie einen Helfer zum Werk-zeughalten. Die Not machte erfinderisch: Sie entwickelte den Werkzeug-Gürtel PRACTICA CINGULIS, den sie auf der Handwerksmesse in München präsentierte. Sie hofft, dass sich ihr Gürtel auch in größeren Betrieben durchsetzt – und kein Lehrling mehr Werkzeuge halten muss.

Frau Ulsch – Mama, Unternehmerin, Erfinderin – was wollten Sie werden, als Sie ein kleines Mädchen waren?
Tierärztin, glaube ich.

Warum ist es dann die Malerei geworden?
Nach meinem Realschulabschluss war ich mit Freundinnen in der Berufsschule, da war Tag der offenen Tür. Als ich in die Malerwerkstatt reingelaufen bin, habe ich gemerkt: Das ist mein Ding. Dieser Geruch, das Licht, die Farben – das hat mich total angesprochen.

Sie sind Malermeisterin geworden, haben sich dann aber weiterentwickelt. Wie schaut Ihr Betrieb heute aus?
Ich hab mich irgendwann selbstständig gemacht, als meine Kinder aus dem Gröbsten raus waren. Ich bin ein Ein-Frau-Betrieb – das heißt, ich musste eine Nische finden. Für mich war der hochwertige Innenausbau mit Beratung perfekt. Meine Kollegen müssen mit ihren großen Firmen einfach viele Quadratmeter machen und oft die Privatkundschaft ganz liegen lassen. Und das war meine Chance: Das kann ich allein als Frau leisten.

Sie haben einen besonderen Gürtel entwickelt, der das Malern und Tapezieren erleichtern soll. Sie zeigen den Gürtel auch bei der Sonderschau „Innovation gewinnt!“ Wie sind Sie auf die Idee zu dem Gürtel gekommen?
Dieser Gürtel ist aus meiner Not heraus entstanden. Ich habe in meinem Leben viele Tapeten verklebt, und die Arbeitsweise hat mich immer gestört. Es ist schwierig, die notwendigen Werkzeuge in der Hose richtig zu verstauen. Ich musste mich oft nach dem Werkzeug bücken oder nochmals aufstehen, um das Werkzeug wieder in die Hose zu stecken. Das war nervig, zeitaufwendig und anstrengend. Und der Grund zu sagen: Mensch, da muss jetzt was her! Ich habe dann ein passgenaues Taschensystem entwickelt und genäht, explizit für das Malerwerkzeug.

Wie hilft Ihnen der Gürtel bei der Arbeit?
Der Gürtel spart viel Zeit und hilft, dass man sich nicht mehr so oft bücken muss. Jedes Werkzeug hat seine eigene Tasche. Man kann sie für die Arbeitsschritte schnell austauschen, weil die Taschen mit Klett und Steckschließen an normalen Gürteln befestigt werden. Die Taschen sind so konzipiert, dass sie offen stehen bleiben. Das heißt, das Werkzeug gleitet ohne Widerstand in die Tasche. Auch wenn man in die Hocke geht, bleibt die Tasche senkrecht stehen. Also kann man die Tasche in der Hocke genauso bedienen wie im Stehen. Das macht die Arbeit sehr ergonomisch.

Jetzt sind Sie neben der Malermeisterin auch noch zur Erfinderin geworden. Wie ge-fällt Ihnen der neue Job?
Sehr gut. Ich mag es gern spannend, neu und praktisch. Also reizt mich das Erfinden. Ich möchte gerne damit weitermachen.

Das Interview führten Dorothea Wagner und Mirijam Trunk

Foto: Michael Schuhmann